Samstag, 29. September 2007

Kapitel VII Von Seen, Wald und Inseln

Die entspannenste Art der Reise durch Estland ist sicherlich die Fahrt mit einem der zahlreichen Busse, die gerade die Städte Tallinn und Tartu in einem 30 Minuten Rhythmus verbinden und einen zweieinhalb Stunden quer durch das Land führen.

Gleichwohl der Autor berichten kann, dass er in einem solchen Buss sitzend mit dem Laptop die folgenden Absätze geschrieben hat, was nicht zuletzt durch die Etablierung von Steckdosen an manchen Plätzen möglich gemacht wurde, so rät er doch dem Neuling auf Estlands Wegen den häufigeren Blick aus dem Fenster.

Das besondere an Estland ist wohl die Landschaft. Es ist das Miteinander von Mensch und Natur, die kleinen Straßen die in die links und rechts von der Straße aufragende Wand aus Bäumen, die zu kleinen Häusern und Siedlungen führen, von kleinen Holzhäusern zu verfallenen Steinbauten aus der Zeit der Kolchosen bis hin zu Herrenhäusern und Denkmälern der Geschichte dieses kleinen tapferen Volkes. Es mag an der tiefen Liebe des Verfassers liegen, dass er stundenlang auf die dahin gleitenden Bäume blicken kann, die gleich und doch verschieden wirken, auf die schlanken Birken, die mächtigen Tannen, die majestätischen Laubbäume und die kleinwüchsigen Sträucher, die die Welt des Waldes von der Welt der Straße zu trennen scheinen.

Gleichwohl man diesem Land wünscht durch eine verbesserte Infrastruktur den Zugang für Touristen, Investoren und natürlich auch den Einheimischen zu optimieren so ist doch jeder Quadratmeter weniger Wald auch ein kleiner Verlust der estnischen Seele.

Wenn man von der russischen Seele spricht, die geprägt ist von der Weite und Offenheit der russischen Steppe, dann ist die estnische Seele geprägt und baut auf auf den mächtigen und alles beherrschenden Wälder. Nach außen wirkt der Wald verschlossen und unnahbar. Er erscheint undurchdringlich und kann den Betrachter auf den ersten Blick verängstigen. Doch traut man sich in den Wald hinein, dann offenbart er seine Wohlgehüteten Schätze. Die Esten sind gewiss kein offenes Volk wie man es von den Russen sagt und auch kennt. Doch ein Este wird, wenn er einen einmal in dein Herz aufgenommen hat, stets ein guter Freund bleiben.

Natürlich ist dies ein Klischee und kann bestimmt durch andere Beispiele widerlegt werden. Doch dieses Bild des estnischen Volkes trifft – nach der Einschätzung des Verfassers – gut die Wirklichkeit. Es sei jedem Gast in diesem Land vergönnt sich durch Ehrlichkeit und Offenheit in die tiefen des estnischen Seelenwaldes zu wagen und die Freundschaft zu erspüren.

Kapitel nicht vollständig! Fehlt: Saaremaa Hiiuma Muhu und 1501 andere Inseln

Kapitel III.3 Das Herz der Stadt

Beim schreiben dieses Kapitels kamen dem Autor des öfteren Zweifel bezüglich der Wahl des Themas. Was ist das Herz Tartus, die Universität oder der Rathausplatz. Der Autor hat sich für letzteren entschieden, ohne damit der Universität den zweiten Platz zuweisen zu wollen. Ist doch die Universität, zwar lokal neben dem Rathausplatz angesiedelt, durch die Studenten über die Stadt verteilt, der Rathausplatz dagegen am Fuße des Domberges der Dreh- und Angelpunkt der Altstadt Tartus, ein großer Kopfsteingepflasterter Platz, an dessen oberen Ende das Rathaus dominiert und das den Blick auf den Emajõgi und die Steinbrücke quer über das Areal hat. Die angrenzenden Häuser scheinen sich an den Rand zu drängen um dem Rathaus, dem Senior des Raekojaplats, wie die estnische Bezeichnung ist, nicht im Blick zu stehen.

Wer sich auf den Rathausplatz Tartus begibt, dem wird zugleich der Brunnen auffallen, der vor dem Rathaus am Kopfende des Platzes gebaut wurde. Es ist ein moderner Brunnen, und dennoch sollte man ihn sich näher ansehen, beherbergt er doch eine seltsame, traurige und doch erheiternde Geschichte. Wenn der geneigte Estlandfreund vor Ort steht wird er sehen, dass in der Mitte des Wasserbeckens ein sich innig küssendes junges Paar dargestellt wird. Und in Tartuer Kneipen wird sich hierzu bei Bier und Tabak folgende Geschichte erzählt:

Als die Gestallter des Brunnens beschlossen, ein Symbol der Liebe, ein sich küssendes Paar, in dem Brunnen abzubilden wurde als Model ein bekanntes Paar von der nahen Universität auserkoren – Die Namen der beiden konnte der Verfasser bis zum heutigen Tage nicht heraus bekommen, er weiss jedoch, dass der Junge Mitglied der altehrwürdigen Studentenverbindung Sakala war, das Mädchen oder besser die Junge Frau die Farben der Korporation Filia Patriae trug. Nun standen die beiden auch gerne zur Verfügung und dann auch Model für eben jeden sich in heißer Liebe küssenden Figuren. Und wie es der Teufel will, wenige Tage vor der feierlichen Enthüllung des Brunnens trennte sich das Paar. Und seit jenem Tage mussten die beiden auf dem Weg zur Vorlesung an dem Brunnen vorbei, und auch an jenem Paar, dessen Model das Liebespaar einst gewesen ist. Und zu hohen Festlichkeiten kann es passieren, dass Angehörige der jeweiligen Verbindungen die Figuren im Brunnen mit ihren Farben schmücken.

Einige Worte sollen auch über die Fußgängerbrücke verloren werden, die direkt an den Rathausplatz anschließend über den Emajõgi führt. Früher eine imposante Erscheinung ist sie heute ein hässliche – man verzeihe mir den Ausdruck – Betonkonstruktion, die jedoch im Studentischen Leben eine wichtige Rolle spielt. Es gibt – nach altem Tartuer Spruch – drei Bedingungen um sich ein Dorpater Student nennen zu dürfen: Man muss durch eine Prüfung gefallen sein. Man muss …. Und man muss einmal über die Brücke gelaufen sein. Letzteres mag einfach erscheinen, bedenke man aber, dass mit über die Brück auch wirklich über gemeint ist, also über jenen Bogen, der sich mit geschätzter Breite von einem Meter über den Fluss und die Plattform für die Fußgänger spannt. In moderneren Zeiten kam es auch vor, dass mancher Studente, vielleicht aus Übermut oder falsch verstandener Bequemlichkeit statt per Pedes auf seinem Motorrad über die Brücke begeben hat. Obwohl dies mehr oder weniger erfolgreich von den Behörden der Stadt durch Aufstellung eines Hinweisschildes zur Geschichte der Brücke verhindert werden konnte, zumindest logistisch, und auch das Überqueren zu Fuss unter Strafe gestellt wurde, möchte der Autor aus seiner Zeit als Student Tartus auf eine Anmerkung in einem Einführungsseminar hinweisen, die er nicht vergessen hat. Gegen Ende des Seminars wurde den versammelten Studenten der Ratschlag mit auf den Weg gegeben, dass, sollte man denn der Tradition folgend sich auf den Weg über die Brücke machen, dies dann doch wenigstens nüchtern zu tun und den obligatorischen Schluck Saku erst nach erfolgreicher Überquerung zu sich zu nehmen. Ein Ratschlag, den sich anscheinend alle zu Herzen genommen haben, zumindest kam dem Autor nicht zu Ohren, dass es bei dieser Tradition bis heute zu Verletzungen oder Schlimmeren gekommen ist.

Wenden wir uns nun dem Domberg zu. Es sei dem Leser an dieser hiermit darauf hingewiesen, dass, nimmt man die estnische Bezeichnung, Domberg nicht gleich Domberg ist. Während der Tallinner Domberg den estnischen Namen „Toompea“ trägt, also „Domkopf“, sollte man es wörtlich übersetzen (wobei die Silbe „pea“ ad exemplum auch in der Bezeichnung Hauptstadt / pealinn vorkommt.), so finden wir in Tartu den „Toome mägi“. Der Domberg zu Tartu erhebt sich hinter Alma Mater und Rathausplatz unübersehbar wenn auch in nicht gerade berauschender Höhe. Dem Leser wird geraten, die lange und mit Kopfstein gepflasterte Schlossstraße (estnisch Lossi) zu benutzen. Nachdem zur linken und rechte auf der Straße neuere Gebäude der Universität hinter sich gelassen wurde steht man vor der Engelsbrücke. Es sei jedoch gestattet, kurz auf die Lossistraße einzugehen. Am Fuß derselben befindet sich das bereits vor hunderten von Jahren bestehende Draakoni Restaurant, in direkter Nachbarschaft zum Rathaus. Geht man Straße dann bergauf sieht man auf der linken Seite das Gebäude der Unicersität, in welches der Verfasser dieser Schrift ein Jahr lang die Ehre hatte jede Woche seine Seminare an der Universitas Tartuensis zu besuchen. Der an einem Studium im Ausland interessierte Leser sei an dieser Stelle das Serviceangebot in kurzen Worten erläutert. Da Estnisch eine nicht gerade leichte Sprache ist hat die Universität für die Gäste aus anderen Ländern ein eigenes Institut geschaffen, in denen man „Baltic studies“ studieren kann. In diesem Programm findet der Student verschiedene Seminare zur Geschichte, Politik, Wirtschaft, Natur, Folklore und dem Rechtssystem der Baltischen Staaten, Schwerpunktmäßig selbstverständlich auf Estland ausgerichtet. Dieses Programm, dass es auch in vielen anderen Ländern, neben Europa auch in den USA und Canada gibt, ist für Ausländer nicht nur wegen der Unterrichtssprache Englisch ratsam sondern auch aufgrund des vielseitigen Überblicks, den man erlangen kann und soll. Schräg gegenüber des Intern „Lossi kolm“ genannten Gebäudes findet man eine der beliebtesten Studentenkneipen, den Püssirohikelder, zu Deutsch den Schiesspulverkeller. In den Berg hinein hat man den alten Keller in eine zweistöckige Kneipe gebaut, in der Livemusik und ständig volle Tische, an denen man dennoch Platz findet, eine willkommene Station beim abendlichen Bummel bieten. Gerade diese Kneipe hat es dem Autor angetan und es fällt schwer, nicht viele Erinnerungen an herrliche Abende zu erzählen; allein die Befürchtung, dass es den Leser langweilen würde jedoch ist es nicht, die den Autor eben jenes reflektieren verbietet. Vielmehr soll der Leser selbst seine Erfahrungen sammeln an jenem Ort und die Atmosphäre unvoreingenommen genießen können. Ein Tipp sei jedoch erteilt: Dort erhält man – nach der natürlich sehr subjektiven Betrachtung des Schreibers – das beste Knoblauchbrot in ganz Estland.

Ohne an diesem gastlichen Ort länger zu verweilen wenden wir uns jedoch weiter in Richtung Domberg. Am Ende der Straße unterquert der Besucher der ältesten Stadt Estlands die „Inglisesild“. Die Übersetzung dieses Namens ist klar und doch indifferent. Die Brücke, die im folgenden noch näher beschrieben werden soll, heißt „Engelsbrücke“. Eine wörtliche Übersetzung könnte allerdings, ein Phänomen der estnischen Sprache, auch „Englische Brücke“ heißen. Die in hellen Farben weiss und gelb gehaltene Brücke trägt, so man sie vom Berg her sieht, das Bild des ersten Rektors der Universität Dorpat nach Widergründung, Georg Friedrich Parrot, der von 1801 bis 1815 in Zusammenarbeit mit seinem Kurator Maximilian Klinger die Universität aufbaute. Auf der der Stadt zugewandten Seite findet man die Inschrift „Otium reficit vires“, „“Aus der Ruhe kommt die Kraft“. Das interessante an der Engelsbrücke ist aber auch ihr Konterpart, die Teufelsbrücke, auf der anderen Seite des Domberges gelegen, grau und unscheinbar und zu Ehren der Zarenfamilie Romanow gebaut. Wann der Name „Teufelsbrücke“ aufkam ist dem Verfasser allerdings unbekannt. Wo die Engelsbrücke in vielen Reiseführern Erwähnung findet, ist die Teufelsbrücke ein eher unbekanntes Gebilde im Areal des Domberges zu Tartu für Touristen. Fakt ist jedoch, dass die Brücke von den russischen Zaren erbaut wurde und das Konterfeil von Zar XYZ zu tragen die Ehre hat. Ob nun daraus der Schluss zu ziehen ist, dass der Name Teufelsbrücke von den Tartuensern eben wegen jener russischen Verbindung aufkam soll unbeantwortet bleiben. Es muss auch ungelöste Rätsel geben…

Kapitel nicth vollständig! Fehlt: Domruine, Universitätsmuseum, Denkmäler, Wilde pub (Buchhandlung und Cafe)

Kapitel III.2 Gaudeamus igitur

Es gibt nur wenige Universitäten außerhalb Deutschlands, die eine Verbindungstradition im eigentlichen Sinne vorweisen können. Tartu gehört dazu. Wenn der Leser dieser Zeilen nicht gerade ein Freund ausgedehnter Wanderungen

Der Ursprung der Verbindungsszene in Tartu kommt aus dem Jahr 1802, dem Jahr, in dem Zar Alexander I. von Russland die Universität Dorpat unter deutscher Leitung wieder eröffnen lies. Bis dahin mussten die Deutschbalten ihre Kinder zum Studium nach Deutschland schicken, mit Vorliebe in die Universitätsstädte Leipzig, Jena und Göttingen. Die dort zusammenkommenden jungen Balten lernten schnell die studentischen Verbindungen kennen und gründeten sogar eigene Landsmannschaften wie etwa 1763 in Jena geschehen. Als die Nachricht der wieder eröffneten Universität Dorpat die Studenten und ihre Familien erreichte, kamen viele zurück in die Heimat und brachten ihre Kenntnisse und Erfahrungen mit in die Region. Trotz des Drang des Autors die Geschichte der Korporationen breit und im Detail auszuführen und die Ergebnisse seiner Magisterarbeit aus dem Jahr 2003 zu diesem Thema zu erläutern soll dies nicht geschehen, aus Rücksicht auf die werten Leser. Erwähnt werden soll jedoch, dass ab den 1830er Jahren auch vermehrt Esten an der Universität zu studieren begannen und sich in die vor Ort bestehenden Landsmannschaften eingliederten. Erst in Folge der ersten russischen Revolution im Jahr 1905 gründeten die Esten ihre eigenen rein-nationalen Korporationen, die Fraternitas Estica (1907), die Vilensis und die Sakala (1911) nach deutschem Vorbild. Die älteste Estnische Verbindung, die heute noch besteht ist die Arminia Dorpatensis, die sich auf das Jahr 18XX zurückdatieren kann.

Die Verbindungen wurden im Jahr 1941 geschlossen und konnten erst nach dem erreichen der Unabhängigkeit 1991 wieder eröffnet werden. Die heutige Verbindungslandschaft in Tartu ist bunt gemischt, es besteht neben den estnischen Koporationen auch eine Finnische und die bereits erwähnt Arminia Dorpatensis, die sich dem deutschen Wingolfsbund, einem evangelisch geprägten nicht schlagenden Dachverband, angeschlossen hat.

Die Studenten und die von ihnen getragenen Verbindungen gehören heute zum Stadtbild wie der Rathausplatz und die Universität. In vielen Kneipen und auch an der Universität sieht man die bunten Farbendeckel mit einer Selbstverständlichkeit, die man aus Deutschland seit den 50er Jahren nicht mehr hat.

Der ausländische Student kommt nach Tartu und fühlt sich umsorgt und doch allein gelassen. Umsorgt durch die netten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität, speziell des Ausländerbüros. Allein gelassen jedoch in der Unterkunft. Denn nimmt man das Angebot der Universität an und wählt das Zimmer im Studentenwohnheim findet man sich in einem Neubau überhalb der Bibliothek wieder. Ein neue renovierter Betonbau mit gläserner Schiebetür, zu der man abends und nachts einen Schlüssel braucht. Auch für Lift und Treppenhaus wird dieser benötigt, aus Sicherheitsgründen wie man auf Anfrage erfährt. Das Problem welches anzumerken nicht unterlassen sein soll ist das fehlen der Klingeln, was bedeutet, dass spontaner Besuch ohne Anruf oder einen glücklichen Zufall nicht möglich ist. Der Autor erinnert sich gerne an sein Zimmer in eben diesem Wohnheim, wenn es auch ein großes Problem anzumerken gibt: Denn in dem dritten Stock, in dem der Autor eben auch sein Zimmer hatte, sucht selbst der findige Leser umsonst nach Esten – die leben nur in den beiden unteren Stockwerken des Hauses, in einem der anderen Studentenwohnheimen der Stadt oder bei ihren Eltern. Dieses im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die meisten ausländischen Gaststudenten in einem speziell für solche entwickelten Kurssystem, dem „Baltic Studies Program“ sitzen der Kontakt zu Estinnen und Esten eher selten und zufällig ist, wenn man sich nicht selbst um Anschluss bemüht.

Kapitel nicht vollständig!

Kapitel III.1 Die Universität

Als wichtigsten Punkt an Tartu sieht der Autor die Universität, und man möge ihm diese schnöde Bevorteilung der der Wissenschaft verzeihen, hatte er doch selbst ein Jahr lang die Ehre, sich Student der Tartu Ülikooli zu nennen, der Tartuer Universität.

Die Universität Tartu wurde im eigentlichen von dem Schwedischen König Gustav Adolf II. gegründet, im Jahre 1632 und dies auch noch just vor jener Schlacht im Süden Deutschlands, bei der der König sein Leben verlor. In letzt Sekunde für die Region könnte man also sagen hat der König die Gründungsurkunde unterzeichnet und der Region seine erste und dem Schwedischen Reich nach Upsala seine zweite Universität beschert. Der Grund, warum der König Tartu erwählte ist einfach zu erklären: Es war der Wunsch und das Anliegen seiner Majestät vor Ort eine Reihe fähiger und loyaler Beamter und Geistlicher auszubilden, um die schwedische Herrschaft in der Region zu manifestieren. Allein, es war der Wunsch der Vater des Gedanken. Bereits wenig Zeit später wurde die Universität im Rahmen des Großen Nordischen Krieges von 1700 – 1721 zuerst nach Pernau verschoben und dann gänzlich aufgelöst, als Estland unter russische Herrschaft geriet. Es sei jedoch auch vermerkt, dass die Universität sehr schnell nach Gründung nur noch ein Schattendasein fristete und so die Schließung nur eine gezwungene Vollendung des vorgegebenen Laufes der Geschichte war. Obgleich die wirtschaftlich und kulturell die Region beherrschenden Deutschbalten gute Kontakte zu den russischen Zaren pflegten dauerte es bis ins Jahr 1802, das Zar Alexander I. die Universität Dorpat als einzige nicht russischsprachige Universität auf russischem Boden wiedergründete.

Direkt gegenüber dem Universitätsgebäude sind drei Sehenswürdigkeiten beheimatet, auf die Hinzuweisen der Autor es sich nicht nehmen lassen möchte. Zum einen, bleiben wir noch einen Moment im Dunstkreis der Universität, die Mensa, ein kleiner Holzbau direkt an der Universität gegeben, der mit seiner Preisgünstigen Cafeteria und seinem zwar gewöhnungsbedürftigen aber angenehmen Ambiente zum verweilen einläd. Zum zweiten das neu geschaffene Denkmal an Tönison,

Und drittens das wunderbare Gebäude der ältesten estnischen Zeitung, des „Postimees“, zu Deutsch „Postmann“. Dieses Gebäude ist auch deshalb wichtig, weil es neben seiner baulichen Schönheit auch jene historische Stelle repräsentiert, an der seinerzeit im Jahre XXX der Este XXX die Zeitung begründete.

Kapitel nicht vollständig!

Kapttel III Tartu

Die zweitgrößte Stadt Estlands ist zugleich die älteste Stadt des Landes, die Universitätsstadt Tartu. Früher eine Festung der Esten wurde sie bereits im 12ten Jahrhundert von den Truppen der Kiewer Rus erobert und unter dem Namen Juréw als Feste mit erster städtischer Siedlung wieder begründet.

Tartu, oder um den deutschbaltischen Namen zu nennen Dorpat, liegt am so genannten Mutterfluss, zu estnisch Emajõgi. Der Emajõgi ist kein normaler Fluss im eigentlichen Sinne. Die beiden größten Seen Estlands verbinden, den Pepsisee und den Vörtsjärv, hat er eine Besonderheit, die seinesgleichen in Europa sucht: Der Fluss änderte vor etwa 500 Jahren seine Richtung ! Nun mag der geologisch bewandterte Leser die Lösung dieser Absurdität kennen, allen anderen – und auch der Autor muss sich unter jene zählen – sei die Geschichte berichtet.

Estland war in der letzen Eiszeit von enormen Gletschern bedeckt, einige davon mit über XXX km Dicke. Es erscheint logisch, dass diese Eismassen außer die heute sogar in Landkarten verzeichneten großen Findlingen in die Region zu bringen noch einen anderen Effekt auf das Land haben mussten: Sie senkten Estland ab. Nun, mehrere tausend Jahre nach Ende der letzten Eiszeit in Europa hat diese Absenkung noch ihre Auswirkung: Estland erhebt sich im Süden und steigt im Norden an. Und auch wenn es nur wenige Zentimeter im Jahr seien mögen, die sich da verschieben, es hat Auswirkungen auf die Landschaft, in diesem Zusammenhang auf den Emajõgi. Da Estland an sich ein sehr flaches Land ist, der Leser möge daran denken, dass der höchste Punkt Estland und auch des gesamten Baltikums der „Suur Munamägi“, der „Große Eierberg“ mit gerade mal 318 Metern ist, ist es logisch, dass auch der Emajõgi sich nur auf ein eher mäßiges Gefälle berufen kann. Auf einhundert Meter sinkt der Lauf des Flusses um gerade mal einen ab, was den Fluss konsequenterweise zu einem sehr langsam fliesenden Gewässer macht. Da sich Estland wie eben erwähnt nun aber bewegt, kam es zu der grotesken und einmaligen Situation, dass der Fluss erst still stand, um dann in anderer Richtung weiter zu fliesen.

Doch Tartu lohnt sich nicht nur wegen der Gewässer Kuriosität oder seiner geographischen Nähe zum Pepsisee, der in einem folgenden Kapitel der Aufmerksamkeit des Lesers zugeführt werden soll. In Tartu findet man eine Alte Universität mit imposantem Hauptgebäude, das Staatsarchiv, das bekannte Schiefe Haus, und eine Atmosphäre, die nur eine Universitätsstadt mit engagierten Studenten bieten kann, und die auch Auslöser für den ersten Unterpunkt dieses Kapitels seinen soll.

Kapitel I Geschichte der Region I (bis 1710): Eroberung und Verlust Estlands

Es mag an der Tatsache liegen, dass der Autor dieses Buches Geschichte studiert hat. Doch er geht nun einmal davon aus, dass man, um eine Land kennen zu lernen, auch gerade dessen Geschichte kennen lernen muss um zu verstehen was man sieht.

Es sei daher die Historie Estlands, in drei Kapitel unterteilt, in Auszügen berichtet. Dem historisch interessierten Leser wird es zu wenig sein. Dem weniger an vergangenen Ereignissen interessierten zu viel. Beide mögen dem Autor verzeihen.

Die Geschichte der von uns beobachteten Region beginnt natürlich nicht erst in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts, dennoch soll diese Zäsur als Einstieg in dieses Kapitel gewählt werden, der Beginn der Christianisierung der Liven, ausgehend vom Erzbistum Hamburg-Bremen. Doch nicht nur die Deutschen hatten Pläne der Christianisierung. So wurde im Jahr 1167 vom Erzbischof von Lund mit dem Zisterzienser Fulco der erste Estenbischof geweiht. Es sei an dieser Stelle erläutert, dass die von uns behandelte Region Estland sich in früheren Tagen, bis ins Jahr 1920, in die historischen Regionen Estland und Livland teilte, wobei Livland wiederum auf dem Gebiet der heutigen Nationalstaaten Estland und Lettland liegt. Die ersten Missionarsbemühungen unter dem Augustiner Meinhard[i] waren noch friedlich, als er etwa im Jahr 1180 den ersten Steinbau auf dem Gebiet der östlichen Ostsee bauen lies – eine Kirche. Sein Nachfolger Bertold allerdings unternahm bereits den ersten militärischen Angriff auf die Einheimischen, was Bertold im Jahr 1198 mit dem Leben bezahlen musste. Als Nachfolger Bertolds wurde der Bremer Domherr Albert von Buxhoeveden[ii] zum Bischof von Livland gewählt, mit dem der waffentragende, Grundbesitzende und durch Eid an den Bischof als Lehnsherren gebundene Adlige aufkam. Pistohlkors nennt Bischof Albert auch den „Gründer Deutscher Landesherrschaft in Livland“[iii].

Im Jahr 1201 gründete Albert an der Düna die Stadt Riga als Bischofssitz und Handelszentrum, Stützpunkt der Kolonialisierung und Zeichen des Erreichten. Ein Jahr später gründete er den geistlichen Ritterorden „fratres milicie Christi de Livonia“, auch Schwertbrüderorden genannt. Der Hintergrund dafür war einfach. Dis dato mussten sich die Missionare auf den Schutz angeworbener Kreuzfahrer verlassen, die das neubegründete Bistum gegen Liven, Kuren, Litauer und Semgaller schützte, die Russen in Schach hielten, aber nach Abwendung der Bedrohung wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Der Schutz durch solche Pilger konnte einem weitblickenden und politisch kalkulierenden Machtmenschen wie Albert nicht genügen. Um die Kreuzfahrer im Land zu halten bediente sich Albert auch des Mittels der Lehensvergabe. So gab er bereits im Jahr 1202 zwei Landgüter ab und gründete damit das Fundament des Vasallenstandes, der für die weitere Geschichte der Region von entscheidender Bedeutung sein wird. Der Orden, der sich als Erkennungszeichen einen weißen Umhang mit einem roten Zeichen, einem Kreuz über einem nach unten weisenden Schwert gab, wurde die Basis für den Schutz des Bischofs und der Missionierung..

Im Jahr 1227 verloren die Dänen, die bisdato der stärkste Gegenspieler der Ordensritter im Kampf um die Vorherrschaft über die Region waren, weiter an Einfluss. Nachdem die Deutschen einen erneuten Aufstand der Esten auf Ösel und um Reval, dem heutigen Tallinn, abgewendet hatten, konnte der ohnehin militärisch geschwächte dänische König auch die Burg Reval nicht mehr halten.

Der Orden kümmerte sich nun vor allem um den Auf- und Ausbau der neu eroberten Stadt Reval. So rief man 230 Kaufleute aus Gotland in die Stadt, einige von ihnen erhielten sogar Land um sich eine gesicherte wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Doch die Macht des Ordens sollte sich bald wieder auflösen. Die Nachwuchsfrage, die exponierte Stellung, das komplizierte Verhältnis zur Kirche und Kurie und die wechselnde Geschichte des Ordens forderten bald Tribut, und der mächtige Deutsche Orden wurde immer attraktiver für Ordensmeister Volkwin. Als der dänische König beim Papst Klage gegen den Orden wegen der Burg Reval erhob, sandte Volkwin 1236 Gesandte zum Deutschen Orden nach Marburg um über eine Vereinigung zu verhandeln; dabei war es Bedingung für die Schwertbrüder, auch in Zukunft autonom über ihr Gebiet regieren zu dürfen. Mitten in die schwierigen und dem Scheitern nahen Verhandlungen zwischen den beiden Orden kamen die Urteile von Viterbo zu Kunde. Balduin von Alna hatte mit vielen Lügen und Polemik gegen den Schwertbrüderorden und auch den Bischof geklagt und Recht bekommen. Der Orden müsse, so die Richter, Reval und das Umland an die Dänen zurückgeben, andere Gebiete an einen päpstlichen Legaten übergeben werden. Mit anderen Beschlüssen kann man folgern, dass eine volle Umsetzung die deutsche Herrschaft durch Entzug der wirtschaftlichen Grundlagen wohl zerstört hätte. Doch die Rückschläge des Ordens brachen nicht ab. Im September 1236 geriet das Ordensheer gegen die Litauer in einen Hinterhalt. Der Ordensmeister und achtundvierzig Ritter starben, doch noch schlimmer waren die politischen Folgen: Verbündete wie die Semgallen und die Kuren fielen vom Orden ab und die Zahl der Ordensbrüder hatte sich halbiert. In dieser Phase bestimmt der Papst die Vereinigung der beiden Orden, die jedoch immer noch in schwierigen Verhandlungen standen. Die Vereinigung erfolgte schließlich durch das Umhängen des Ordensgewands des Deutschen Ordens und durch Täuschung der Schwertbrüder über die Zukunft Revals. Am 14. Mai 1237 wurde die Vereinigung durch Papst Gregor IX. bestätigt, kurz darauf setzten sich 60 Brüder des Deutschen Ordens nach Estland in Marsch. Alleine die Jurisdiktionsunabhängigkeit des livländischen Ordenszweiges von der Gerichtshoheit der Bischöfe Livlands konnten die ehemaligen Schwertbrüder retten. Reval und andere Gebiete in Estland wurden jedoch im Vertrag von Stensby dem dänischen König zurückgegeben.

Der Orden hatte aber ohnehin andere Probleme. Man musste die verlorene Macht in der Region zurückerobern, was 1241 mit der erneuten Unterwerfung der Insel Ösel begann. Zeitgleich begann der Orden gemeinsam mit schwedischen Truppen gegen Nowgorod vorzugehen, was allerdings 1240 bereits in der Neiderlage gegen Fürst Alexander an der Neva, was jenem den Beinamen Alexander Nevski einbrachte. Dennoch konnte der Orden seine Macht Stück für Stück erneuern. Lediglich in der Expansion gen Osten geriet zum Fiasko, gipfelnd in der Niederlage des Ordens auf dem Eis des Peipussees am 5. April 1242. Damit wurde der Expansionsdrang des deutschen Ordens gen Osten .gestoppt und auch in späteren Zeiten nicht mehr aufgenommen.

Kapitel nicht vollständig! Fehlt: Livländischer Krieg, Großer Nordischer Krieg



Anmerkungen

[i] Meinhard: Geboren: ? Gestorben 1196; Wirkte u.a. im Kloster Segeberg

[ii] Albert von Buxhoeveden, aus Bremen

[iii] Pistohlkors, Gerd von, Baltische Länder, in: Buchholz, Werner (Hrsg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas, Berlin 1994, S. 38

Kaptitel I.3 Toompea – Der Domberg

Tallinn bietet dem touristischen Besucher neben der Altstadt einen weiteren Stadtteil, der unmittelbar hinter dem Rathausplatz beginnt. Es mag den Tallinn – Unkundigen Leser verwirren, dass der älteste Teil der Stadt nicht als Altstadt definiert wird, mehr noch: Das der Schreiber dieser Zeilen den Domberg zum Gegenpol der eben beschriebenen Altstadt setzt. Und doch ist es so, dass der Domberg auf den ersten Blick eine neue Welt eröffnet und als solche, als andere Welt soll er auch beschrieben werden.

Der historische Kern der Stadt Tallinn ist nicht sehr groß. Und doch bietet er durch seinen geographischen Aufbau eine Stadt in der Stadt. Da – wie der werte Leser aus den geschichtlichen Kapiteln im Vorfeld hoffentlich noch weiss – Tallinn wie wir es kennen lernen, auf dem Domberg als Festung gegründet wurde, ist es verständlich, dass dieser Hügel (Berg kann man es mit westlichen Maßstäben einfach nicht nennen) befestigt wurde.

Interessant ist allerdings, dass Teile dieser Befestigung bis heute stehen, so dass Tallinn quasi eine Stadtmauer in der Stadtmauer offeriert. Am offensichtlichsten wird dies am Eingang in den Pikk Jalg, den „langen Fuß“, der von der Pikk-Straße beginnend den Eingang zum Domberg darstellt: Man durchschreitet ein befestigtes Tor um dann den steilen Aufstieg über das in Tallinn allgegenwärtige große Kopfsteinpflaster vor sich liegen zu sehen; gerade in den Hochzeiten des Tourismus findet man am Rand der Gasse viele Künstler, die Bilder und Drucke und Postkarten mit Tallinner Motiven zum Kauf anbieten. Es lohnt sich durchaus dabei beim flanieren einen oder zwei Blicke auf die Bilder zu werfen, die – nach Ansicht des Autors – oft den Charme der alten Hansestadt wunderbar reflektieren und der hoffentlich bereits entflammten Liebe zu Tallinn ein wenig mehr Feuer geben.

Doch will ich dem werten Leser nicht Bilder zum Kauf anpreisen. Gehen wir also wieder zurück auf den Pikk jalg und ersteigen den Domberg.

Der Domberg bietet einige schöne Plätze, doch der größte und schönste befindet sich am oberen Ende des langen Fußes. Während man zur linken das herrliche Palais des deutschen Botschafters zumindest von außen bewundern kann, den ehemaligen Familiensitz der Familie von XXX, die aus ihren Reihen namentlich XXXX den ersten deutschen Botschafter nach 1990 stellte, eröffnet sich vor dem Betrachter der Schlossplatz. Bevor auf jenen jedoch eingegangen werden soll möchte ich noch zwei Sätze zum Wohnsitz der deutschen Botschafter in Tallinn eingehen.

Das gelbe Haus mit den kleinen weißen Säulen vor der Holztür wird den wenigsten Besuchern seine Pforten öffnen. Wenn man es jedoch geschafft hat Eintritt zu erlangen, sollte man unbedingt das Arbeitszimmer des Botschafters besichtigen. Dieses befindet sich im Erdgeschoss, links neben der Eingangstür und stellt den wohl schönsten Raum des Hauses dar. Rustikales dunkles Holz an den Wänden geben hier den perfekten Rahmen für die alte herrlich bemalte Decke, die dem Raum eine ungeahnte Würde vermittelt.

Doch kehren wir zurück auf den Schlossplatz. Bis 1900 war dieser Platz ein solcher, sprich, der Marschier und Exerzierplatz der Stadt. Der Betrachter des heutigen Tallinn wird hingegen von diesem Platz wenig sehen, denn in dessen Mitte erbaute Zar Nikolaus II. die große und, man kann es nicht verhehlen, herrliche russisch-orthodoxe Kathedrale.

Es sei gleich zu Beginn nicht verholen, dass der Autor eine Art Hass-Liebe zu der Alexandr-Nevski Kathedrale empfindet.

Es ist dem Autor nicht vergönnt Details der orthodoxen Liturgie und deren Auswirkungen auf die Architektur zu zitieren. Auf einiges möchte ich jedoch hinweisen.

Kapitel nicht vollständig! Fehlt: Kathedrale, Parlament, Domschule, Deutscher Dom, Plattformen, Stenbock, Kurzer Fuss

Kapitel I.2 - Das Zentrum der Macht

Das Zentrum der Macht

Der Rathausplatz (estn. Raekoje plats) ist ein Phänomen. Der Autor kennt nur wenig Plätze auf der Welt, die trotz der sofort aufgekommenen Kommerzialisierung es geschafft haben, immer noch die Würde und den Glanz der alten Zeiten zu erhalten. Alleine schon die Größe des Platzes, mit den herrlichen Häuserfronten, die nahezu ehrfürchtig ihre Schönheit und Farbenvielfalt unterspielen angesichts des trotzigen und dennoch nicht abschreckenden alten Rathauses mit seinen kleinen Fenstern, der wuchtigen grauen Außenmauern und den farbenfrohen Wasserspeiern in Form von Drachenköpfen, die auf den ersten Blick so gar nicht zum Rest des Hauses passen wollen. Das Rathaus dominiert den Platz durch seine schiere Größe und Form. Und doch schließen die so verschiedenen Bauwerke jenes Platzes einen engen Kreis und scheinen den Kern der Stadt festzuhalten.

Wenn der Verfasser nach Tallinn kommt, eilt er meist zuerst zu diesem Ort um in dessen Mitte stehend und sich langsam um die eigene Achse drehend den Geist des Ortes aufzunehmen und zu verinnerlichen. Es ist wird dem flüchtigen Touristen vielleicht nicht einsichtig werden, was an diesem Platz so speziell ist; vielleicht muss man sich dem Land einfach bedingungslos ergeben um den Zauber dieses Platzes erahnen zu dürfen. Es ist die Mischung aus alterwürdiger Geschichte gepaart mit dem auch auf diesem Platz vorhandenen Kabellosen Internet Zugang. Es sind die prächtigen Patrizierhäuser, die Symbole einer vergangenen Macht einer von Sturm der Geschichte weggewehten Oberschicht und des nur langsam wiederkehrenden Reichtums der Stadt und des Landes, in denen man nun ebenso Souveniers erstehen kann wie Kaffee trinken.

Diese Überleitung bringt uns direkt zum ersten Punkt der Beschreibung. Steht der Betrachter nun also vor dem Rathaus und blickt entsprechend Beeindruckt vor der Stärke des Gebäudes, in dem die Geschicke der Stadt geleitet wurden, so wende man sich schlussendlich nach links. Auf dieser Seite sind drei Gebäude, die der Verfasser kurz ansprechen möchte. Es sei an dieser Stelle eine demütige Entschuldigung an jedes andere Gebäude des exklusiven Kreises gerichtet, dass nicht jedes behandelt werden soll. Der Autor ist sich sicher, dass jeder Besucher sein eigenes Lieblingshaus für sich erkoren wird. Gleichwohl möchte ich mein Diktat als Autor über den Leser ausnützen um drei von ihnen zu erwähnen.

Zum ersten muss man wohl die alte Apotheke erwähnen, die immerhin eine der ältesten, wenn nicht die älteste Apotheke Europas ist. Sie entstand 14XX, anlässlich einer Pestepedemie und dient den Einwohnern der Hansestadt bis heute mit Medikamenten. Die Tatsache, dass dieses kleine Land etwas hat, was bereits vor der Entdeckung Amerikas durch den spanischen Seefahrer Kolumbus in dieser Funktion tätig war beeindruckt nicht nur die Einwohner aus „Gottes eigenem Land“ sondern ist auch für den Verfasser ein Denkmal an die Beständigkeit und die Traditionen. Zumal die Familie des Autors sich rühmen kann über einige Generationen den ehrbaren Beruf des Pharmazeuten inne zu haben, wenn auch natürlich nicht in der hier erwähnten Apotheke. Direkt neben der Apotheke, nur durch eine schmale, auf den ersten Blick nicht zu sehenden Gasse getrennt, die den Rathausplatz mit der Venestraße verbindet, steht ein kleines schmales Steinhaus, das den Eindruck macht, als gehöre es eigentlich nicht an diesen Ort. Es drängt sich an den Nachbarhaus in einer rührenden Weise und versucht seine schlichte und schmale Erscheinung durch zwei steinerne Plastiken vor der Eingangstür zu kaschieren. Man könnte in diesem Haus auch ein Sinnbild Estlands sehen, dass sich in den Kreis der großen Staaten Europas und der Welt seinen Platz erkämpft hat und diesen behaupten will und auch dazu im Stande ist. Es mag klein sein und grau und neben den bunten und glanzvollen großen Gebäuden fast verschwinden. Und doch ist es da und gehört dazu und wird dort bleiben.

Die für den Autor jedoch interessanteste Bar des Platzes und auch der Altstadt hat er nur durch Zufall entdeckt. Beim Kauf einer Zigarre im „Sigari Maja“ fiel ein Vorhang auf, hinter dem sich ein Kleinod verbarg. Eine kleine Bar mit herrlichen alten Ledersofas, einem offenen Kamin und schönen antiken Lehnstühlen. Ein Ort zum Entspannen, Schachspielen und des puren Genusses an Lebensart wie der Autor diese in Deutschland bisher nicht gefunden hat.

Es sei jedem vergönnt einem solchen Platz, der den in der Phantasie schon oft besuchten Londoner Herrenclubs des viktorianischen Zeitalters gleicht, nicht jene Begeisterung entgegen zu bringen wie der Verfasser. Er wollte es aber nicht unterlassen diesen Ort zu unterstreichen.

Nachdem nun der Kaffee getrunken, der Kuchen verköstigt und die Zigarre geraucht wurde, wird es Zeit sich wieder dem Ausgangspunkt dieses Kapitel zuzuwenden: Dem Rathaus.

Kaptiel nicht vollständig! Fehtl: Rathaus, Rathauskirche (inklusive Vorbau und Uhr))

Dienstag, 17. Juli 2007

Kapitel I.1 Tallinn: Vanalinn – Die Altstadt

Die Altstadt Tallinns hat viele lohnenswerte Zugänge. Der Autor empfiehlt dem Besucher, der sich zum ersten Mal aufmacht dieses Weltkulturerbe zu erforschen und kennen zu lernen, den Zugang durch das Virutor, welches den Zuschlag nicht nur wegen seiner verkehrsnahen Lage zu den meisten Hotels erhält, die sich um die östliche Seite der Altstadt und in Nähe des Passagierhafens befinden. Trotz der Massen an Touristen, die gerade im Sommer nach Estland, in die Heimat des Autors, der zwar in Folge der historischen und unseligen Vorgänge des Zweiten Weltkrieges nicht die Chance hatte in dieser zu leben, die jedoch dennoch seit seinem ersten Besuch ein wichtiger Teil von ihm wurde, strömen, ist dieser Zugang aufgrund seiner Breite und der anschließenden Virustrasse, die direkt ins Herz der Altstadt, auf den Rathausplatz führt, der wohl lohnenswerteste von allen, ein Fest für die Augen des an Architektur und auch an Shopping interessierten Betrachters. Allein schon die zwanzig Meter lange Reihe an Blumenständen, die sich vor dem Virutor aufreihen, die jedem Mann rund um die Uhr die Möglichkeit des Erwerbs eines Blumenstrasses für die Angebetete geben, ist eine Einmaligkeit, die man so nicht aus deutschen oder anderen europäischen Innenstädten kennt.

Gleich nach dem Eintritt in die Altstadt durch die beiden mit wildem Wein umrankten Türme des Tores, die den breiten Kopfsteingepflasterten Weg links und rechts flankieren, fällt das erste Gebäude, dem wir für einen Moment unsere Aufmerksamkeit schenken sollen, ins Auge: Das Kaufhaus De la Gardi. Es mag dem Leser dieser Zeilen ein Stirnrunzeln hervorrufen, wenn wir die Besprechung der Altstadt mit einem Kaufhaus beginnen. Doch ist dieses Kaufhaus aus zwei Gründen interessant und einen Moment der Beachtung wert. Zum einen aus architektonischen Gründen. Im Gegensatz zum Rest der Altstadt, die – so wie wir sie heute sehen können – zum Großteil aus dem fünfzehnten Jahrhundert erhalten geblieben und samt und sonders zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Das Auge selbst des flüchtigen Betrachters wird sofort feststellen, das die Gestaltung des Kaufhauses De la Gardi sich mit seiner futuristischen und skandinavischen Bauweise deutlich von den es umgebenden Steinbauten der Hansestadt abhebt. Die Mischung aus Holz, Glas, Metall und Stein, die auf den ersten Blick fremd in der historischen Nachbarschaft anmerkt, ruft – so die Erfahrung des Autors – zwei gegensätzliche Reaktionen hervor. Zum einen diejenige, die den Kontrast zur Umgebung als zumindest interessant, wenn nicht sogar gelungen empfindet. Zum anderen jene, die von Verschandlung des zumindest ersten Eindrucks spricht. Der Autor bekennt sich als indifferent. Es kann die bloße Gewohnheit sein, die ihn dieses Haus als gegeben und sogar irgendwie interessant empfinden lässt. Andererseits ist bei näherer Betrachtung das Bemühen des Bauherren, trotz der modernen Architektur Teile der ursprünglichen Form zu behalten und zu verarbeiten unübersehbar und sollte dementsprechend gewürdigt werden. Der zweite Grund, warum dieses Kaufhaus einen näheren Blick wert ist, ist der alte Grundstein, dessen stattliche Größe man voll erhalten im Untergeschoss des Hauses betrachten und bewundern kann. Leider durch die langen Jahre teils unleserlich geworden erkennt man darauf noch gut das abgebildete Kreuz mit dem Wappen der Familien De la Gardi und einen Teil der alten Inschrift. Dem bereits zu beginn des Besuches der estnischen Hauptstadt Durstigen sei verraten, dass sich im vierten Stock des Hauses „Roberts Cafe“ befindet, in welchem man bei ansprechendem Ambiente einen relativ teuren aber guten Kaffee käuflich erwerben kann.

Auch wenn es dem Verfasser dieser Aufzeichnungen drängt, beinahe jedes Haus der Virustrasse auf dem Weg vom Stadttor bis hin zum alten Markt detailliert zu beschreiben, die architektonischen Kniffe zu erklären – soweit sie dem architektonisch eigentlich nicht geschulten Auge des Verfassers bekannt sind -, die Farben und die Geschichten jener Kaufmanns- und Gewerbehäuser, Stadtresidenzen und städtischer Einrichtungen kund zu tun und so jedes einzelnen dem geistigen Auge des geneigten Lesers vorzuführen, es soll und kann in diesem Rahmen nicht geschehen. Es wäre zumal unmöglich jene Wucht an verschiedenen Eindrücken in Worte zu fassen, ohne sich in eine endlose Wiederholung von Adjektiven, Komparativen und Superlativen zu ergehen und diese Flut auf den Leser niederprasseln zu lassen. Da reiht sich gleich gegenüber jenem angesprochenen Kaufhaus ein eher schlicht gebautes Haus in rosa neben einem prunkvollen Gebäude mit Stuck und Verziehrungen, welches im unteren Drittel magentablau, in den oberen Regionen hellgrün bemalt wurde, welches wiederum neben einer Stadtvilla mit schmiedeeisernen Balkonen, in ansprechendem rotbraun gehalten, aufgereiht steht.

Es ist eben dieser Kontrast, der in anderen, noch zu beschreibenden Teilen der alten Hansemetropole noch deutlicher zu Tage tritt, wenn neben voll renovierten Prachtbauten unverputzte, bröckelnde und ihrer Renovierung harrender ehemalige architektonische Schmuckstücke ihr Dasein fristen. Da schmiegt sich Prunk an einfache Eleganz, farbenfrohe, Papageien gleiche Villen an eintönige Warenhäuser, renoviertes an unrenoviertes, kurz: ein Kontrast, der Tallinn seinen ganz persönlichen Charme gibt und der dafür sorgt, dass auch der wiederholte Besuch der Altstadt Überraschungen mit sich bringt.

Der Besucher Tallinns geht nun also die eben vollkommen unzulänglich beschriebene Virustrasse entlang, schlendert vorbei an Boutiquen und Restaurants, Kneipen und Souvenirständen, immer auf den sich schlank und elegant in die Höhe erhebenden Turm des Alten Rathauses zu, auf dessen Spitze der Torwächter der Hansestadt „Vana Thomas“, der „Alte Thomas“, über die Stadt zu wachen scheint. Nach einer leichten Linkskurve schließlich betritt der Leser den „Vana Turk“, dem alten Markt, ein kleiner Platz am Fuße des Rathausplatzes, auf dem zu verweilen uns das imposante Gebäude drängt, in dessen inneren das Restaurant „Olde Hansa“ etabliert hat.

Der werte Leser gestatte mir an dieser Stelle eine kleine Abschweifung vom Thema, oder besser gesagt vom Ort. Bezüglich der Figur des „Vana Thomas“ herrscht in Tallinn eine Legende, deren Erzählung zu versäumen ich nicht möchte. Vor den Toren der Stadt liegt der See Ülemiste. Dieser See ist allein schon deswegen besonders, da er seit jahrhunderten die Trinkwasserversorgung der Stadt darstellt, zumindest in neuerer Zeit zum größten Teil. Die Tatsache, dass der Flughafen Estlands genau an diesen See grenzt und die landenden und startenden Flugzeuge über selbigen fliegen sei an dieser Stelle der Vollständigheitshalber angemerkt, jedoch nicht weiter gewürdigt – zumindest nicht in diesem Abschnitt des Buches. In diesem See lebt nun der Legende nach ein Geist, der Alte Mann des See Ülemiste. Und einmal im Jahr kommt eben dieser Alte Mann aus dem See heraus uns klopft an die Stadttore Tallinns. Der Alte Thomas, der Torwächter, eilt dann jedes Mal herbei um dem Alten Mann von Ülemiste die Tür zu öffnen. Und jedes Mal folgt der selbe Dialog: „Ist die Stadt fertig gebaut ?“ fragt der Alte Mann, und Thomas antwortet: „Nein, die Stadt ist nicht fertig gebaut, und es wird noch lange dauern, bis sie vollendend ist.“ Damit schließt der Torwächter die Pforte wieder und der Geist kehrt zurück in seinen See. Und dies wiederholt sich jahrein jahraus zum höheren Wohle der Stadt, denn sollte Thomas dem Geist die Vollendung der Stadt bejahen, würde der Legende nach der See über seine Ufer treten und die alte Hansestadt fortspülen. Das dies nicht geschehen ist verdanken die Esten und die Besucher der Stadt eben dem Alten Thomas, weswegen seine Figur auch auf dem Turm des Rathauses befestigt wurde.

Doch kehren wir zurück zum zweiten Gebäude, dessen Aufmerksamkeit uns befohlen wird durch seine Einzigartigkeit. Das Gebäude, in dem das bereits kurz erwähne Restaurant „Olde Hansa“ sich eingenistet hat, ist das ehemalige Zeug- und Lagerhaus der Hansestadt. In diesem hohen und imposanten Gebäude, an dessen Mauern nur einige wenige schmale Fenster im Inneren für Beleuchtung, ist nicht nur aufgrund seiner interessanten baulichen Beschaffenheit von außen einen Besuch wert. Im Inneren findet sich der neugierige Beobachter einer fast mittelalterlichen Einrichtung aus grob geschlagenen dunklen Holztischen und Bänken wieder, kleinen Holzsesseln mit Armlehnen und einem bunt gemischten Haufen an in alter Tracht angezogenen Kellnerinnen. Das Restaurant, welches zu den besten der Stadt, auf jeden Fall jedoch zu dem empfehlenswertesten zählen muss, offeriert dem Gast eine bis ins Detail geplante und liebevoll umgesetzte Zeitreise in die frühe Neuzeit, die als goldene bezeichnete Hansezeit, in der Reval und Dorpat zu blühenden Metropolen heranwuchsen und man den Reichtum der Stadt an vielen Ecken sehen konnte. Es sei dem Besucher geraten den Besuch in einer größeren Gruppe zu organisieren, so ihm dies möglich ist – um dann eine der wählbaren Menüvorschläge zu wählen. Ist schon die Speisekarte, die es neben Estnisch und Russisch auch in Englisch und Deutsch gibt, ein Kunstwerk und gefällt dem werten Kostgänger, so wird ihn die Show der Bedienungen faszinieren. Da werden alte Festbräuche zelebriert, spezielle Schnäpse kredenzt und ein unvergleichliches Honigbier gebraut – wenn auch nicht direkt am Tisch. Es treibt den Verfasser der Zeilen länger in diesem gastlichen Hause zu bleiben, die Wandmalereien zu beschreiben, die zusammen mit der Kerzenbeleuchtung an Tischen und Kronleuchtern die Atmosphäre in einen einzigartigen Besuch verwandeln, die breiten Holztreppen, die die vier Stockwerke miteinander verbinden oder auch die kleine Insel aus Holz, auf der im Sommer Besucher in freien Essen können.

Doch wollen wir unseren Blick dem zuwerfen, wohin wir schon seit Beginn unseres Ganges vom Virutor hinstrebten und in dessen unmittelbarer Nähe, zu dessem Fuße wir uns nun befinden: Dem Rathausplatz. Wir verlassen also den alten Markt und gehen die wenigen Meter hinauf, eine kleine Rechtskurve unmittelbar an der Mauer des Rathauses, und wir erblicken den großen alten Platz, das Herz der alten Hansestadt Reval.

Kapitel I - Tallinn: Allgemeines und Verschiedenes

Es ist wohl immer schwer, ein erstes Kapitel eines Buches zu beginnen. Normalerweise weiss man zwar womit, aber nicht wo man anfangen soll und verstrickt sich denn in immer längere Einleitungssätze und Einführungen mit länger werdenden Satzkonstruktionen, reiht Nebensatz an Nebensatz in der wagen Hoffnung, durch Zufall oder Eingebung irgendwann den Bogen zu jenem Punkt spannen zu können, zu dem man von Anfang an eigentlich gelangen wollte.

In diesem Fall aber steht der Autor vor der Schwierigkeit, womit er beginnen soll. Soll man erst über die Geschichte reden, also einen chronologischen Anfangspunkt wählen ? Oder soll man mit der Aktualität beginnen, der politischen Situation der Estnischen Republik zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, also dem Beitritt zu Nato und EU, der Manifestierung der Westbindung den jeder Estnische Politiker seit 1991 konsequent und zielstrebig verfolgt hat ? Nach reiflicher Überlegung jedoch kommt der Verfasser zu der Entscheidung mit dem nahe liegenden zu beginnen und da weiter zu schreiben, wo er ganz am Anfang begonnen hat: Mit einer Beschreibung der Haupt- Regierungs- und Hansestadt Tallinn.

Wann Tallinn gegründet wurde entzieht sich der Erkenntnis des Verfassers und ist wohl auch nicht letztendlich geklärt. Sicher ist, dass an eben jener Stelle, auf dem heute der Domberg steht, eine Festung der hier siedelnden Finnuhrgischen Bewohner stand – von Pistohlkors nennt sie in seiner umfangreichen Abhandlung Lyndanise. Im Jahre 1219 schließlich wurde die diese – mittlerweile leer stehende Festung vom dänischen König Valdemar II. zerstört und eine neue Feste gebaut. Der Grund für diesen Feldzug, wenn man in diesen Zeiten überhaupt einen triftigen Grund für eine Krieg brauchte, waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Verhandlungen zwischen Bischof Adalbert von Bremen, dem Gründer von Riga 1201, und dem dänischen König über einen Gemeinsamen Kampf gegen die heidnischen Esten. Diese Eroberung ist auch deswegen erwähnenswert, da der Legende nach während der Schlacht bei Fellin gegen revoltierende Esten dem dänischen König eine Flagge vom Himmel zu seinen Füßen flog – und der König unter dieser Flagge die Schlacht gewinnen konnte. Diese Flagge, rot mit weißem Längskreuz, bis heute das Banner Dänemarks geblieben, ist uns heute als Danebrog bekannt. Eine Geschichte, die ebenso in das Reich der Legende gehört wie jene, die von Kaiser Konstantin von Byzanz erzählt, dem am Abend vor der entscheidenden Schlacht an der Brücke von Milvian 312 im Traum das Kreuz erschein mit dem Satz „In diesem Zeichen siege“. Und Konstantin wählte das Kreuz als Symbol seiner Streitmacht und Gewann. Doch nicht desto trotz, eine kleine Auswirkung dieser Belagerung und Erstürmung reicht bei heute nach. Und dabei geht es nicht um die Tatsache, dass noch heute der Danebrog die Nationalflagge Dänemarks und diese auch im Stadtwappen Tallinns abgebildet ist. Es soll vielmehr an dieser Stelle den der estnischen Sprache nicht mächtigen Lesern (und davon dürfte es viele geben) die Etymologie des Namens Tallinn erläutert werden. Der Name der Stadt setzt sich zusammen aus den estnischen Worten Taani und Linn, übersetzt hieße dies „Dänisch“ und „Stadt“, sprich „Dänische Stadt“.

Die weitere Geschichte der Region des heutigen Estlands ist nicht einfach zu beschreiben, kämpften doch Esten und Deutsche, Dänen und Russen gegeneinander, gab es Interventionen seitens des Papstes und Ereignisse außerhalb der Region, die jedoch entscheidenden Einfluss auf unsere hier beschriebene Geschichte nehmen. Fakt jedoch ist, dass nach der Niederlage des Dänischen Königs in Bornhöved in Schleswig Holstein im Jahre 1227 gegen norddeutsche Fürsten das Königreich Dänemark die von Deutschen Truppen belagerte Burg Reval auf- und übergeben musste. Bischof Adalbert jedoch konnte sich nur kurze Zeit an der Eroberung freuen: Zwei Jahre später verstarb er und wurde in der Marienkirche zu Riga beigesetzt. Der Schwertbrüderorden sorgte dann ab dem Jahre 1230 für die Ansiedlung deutscher Kaufleute und damit für die Gründung der Deutschen Stadt Reval.

Jedoch soll der interessanten Geschichte jener Region in den folgenden Jahren und Jahrhunderten in einem anderen Kapitel mehr Zeit gewidmet sein. Wenden wir uns wieder zurück zum Thema dieses Kapitels, der Stadt Tallinn.

Die Deutschen nannten die Stadt, die Hauptthema dieses Kapitels sein soll, bis ins Jahre 1918 Reval, und noch heute hört man in Deutschbaltischen Kreisen diesen Namen. Eine überzeugende etymologische Erklärung für diesen Namen kann der Autor nicht geben, allerdings mal wieder eine Legende, die immerhin mit einem Stadtpark in Tallinn untermauert werden kann: Ein Reh, dass vor dem Wall der Festung des Dombergs gesehen wurde soll Namenspatron der Hansestadt geworden sein, das Reh vor dem Wall hat, so erzählt man sich, die Frau eines Stadtherrens so entzückt, dass der Name schließlich übernommen wurde. Diese Erzählung ist in der Altstadt Tallinns in Form eines Parks dargestellt, ein Pflichtpunkt jedes Stadtrundgangs durch die Altstadt, zu dem später noch kurz Bericht erstattet werden soll.

Kommen wir nun jedoch zum eigentlichen, zur Altstadt der estnischen Hauptstadt, die wir im Folgenden gesonderte Aufmerksamkeit schenken wollen.

Vorwort oder Einleitung

Das erste Merkmal der alten Hansestadt Tallinn, das aus dem Dunst der August Abenddämmerung und der Entfernung der Fähre zur Stadt erkennbar wird, ist der neu renovierte Turm der mächtigen Olei-Kirche. Warum dies gerade dem Autor ins Auge sticht und den Blick, der die aufsteigende Küste seit einiger Zeit suchend ertastet, als erster leuchtturmartige Punkt ins Auge sticht, kann sicher auf mehrere Arten erklärt werden. Man mag sich an dieser Stelle damit begnügen, dass zum einen die Olei-Kirche, oder um den estnischen Namen zu benutzen Oleviste Kiirk, mit ihrem 156 Meter hohen Turm den höchsten im gesamten Baltikum hat und demnach und dadurch auch aus größerer Entfernung sichtbar ist; zum anderen wohl aber auch, weil der Verfasser und Inhaber eben jener suchenden Augen eine persönliche Beziehung zu diesem Gotteshaus aufgebaut hat und darum wohl mehr oder weniger bewusst eben jenen lang gezogenen spitzen Turm mit seiner goldenen Kugel am oberen Ende, und seiner über die Jahrhunderte mit Grünspan überzogenen Messinghaut gerade gesucht hat.

Auf dem von Siljaline etwas hochtrabend so genannten Panoramadeck zu stehen und die langsam – für den ungeduldig erwartenden Autor fast zu langsam – deutlich werdenden Konturen der alten Hansemetropole zu betrachten ist ein solch erhabener Moment , dass man trotz der hervorragenden Flugverbindungen zwischen Deutschland und Estland jedem Besucher dieser Stadt und dem nördlichsten der Baltischen Staaten nur wärmstens ans Herz legen kann, diese etwas längere Art der Anreise zu wählen.

Tallinn, wie die geschätzten Leser dieser Aufzeichnungen wissen dürften, ist die Haupt- und Regierungsstadt der Freien Republik Estland, oder um die wohl eher unbekannten estnischen Bezeichnungen nicht zu vergessen, der Eesti Vabariik, am finnischen Meerbusen gelegen und gerade mal 82 Kilometer von der weitaus bekannteren finnischen Hauptstadt Helsinki entfernt. Warum Estland immer noch – trotz der Aufnahme in die NATO und die Europäischen Union, trotz des Gewinns des Grand Prix d` Eurovision im Jahr 2001 und der im folgenden Jahr sehr gelungenen Austragung dieser in Europa bekannten und vielbeachteten Fernsehinstitution immer noch in vielen Kreisen unbekannt ist, ist wohl nur dadurch zu erklären, dass Estland zwischen 1940 und 1991 Teil der Sowjetunion wurde, seit eben der Regierungs- und man muss sie so nennen auch Schreckenszeit des Georgiers Josef Wissarionowitsch Dshugashwili, besser bekannt als Josef Stalin, und erst in Folge des gescheiterten Moskauer Putschversuches am 19. August 1991 seine seit 1988 unternommenen Anstrengungen in Richtung einer Lösung vom einflussreichen russischen Nachbarn endgültig manifestieren konnte. Es sei auch hier bereits angemerkt, dass Tallinn anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau mit Ausrichtung der Segelwettbewerbe sich in die Reihe der Olympischen Städte einreihen kann, was allerdings im unseren Breiten aufgrund des unseligen Boykotts der westlichen Staaten dieser XVI. Olympiade wenig Beachtung fand.

Man mag dem Verfasser verzeihen, dass er diese Gründe nicht so recht anerkennen kann und will, ist doch Estland mit seiner großen Affinität zur Deutschen Kultur, wohl auch entstanden durch die 700 Jahre andauernde Vorherrschaft – zumindest was Kultur und Wirtschaft angeht – der Deutschbalten in dieser Region, weit hinter der ihm gebührenden Aufmerksamkeit bliebt und wohl auch weiterhin bleiben wird, wenn auch dieser Teilsatz mit großem Bedauern zu Papier gebracht wurde. Doch nicht nur um dies vielleicht ein wenig zu ändern hat sich der Verfasser entschlossen, dieses Buch zu schreiben, an einem sonnigen Augusttag am Pepsisee, der sich – soviel Geographie sei in diesem Vorwort erlaubt – längs der östlichen Grenze Estlands erstreckt, und dessen über vierzig Kilometer reichende Breite zugleich die Grenze zwischen der Baltischen Republik Estland und der Russischen Föderation darstellt, besser gesagt, jene Grenze in sich trägt. Es geht auch und gerade darum, die vielen Eindrücke, die der Autor auf mehreren Reisen und Aufenthalten in Estland gesammelt hat zu verarbeiten und somit nieder zu schreiben was einem im Süden Deutschlands aufgewachsenen Halbbalten bewegt, wenn er in das Land einreist, welches seiner Familie über hunderte von Jahren lang liebe Heimat war.

Bevor wir nun aber in die eigentlichen Kapitel dieses Buches eindringen, in denen zum einen Städte wie Tallinn oder Tartu, aber auch Pärnu oder Narva näher betrachtet werden, der Leser den Versuch eines Einblickes in Politik und Wirtschaft, Sprache und Geschichte, Natur und Kultur zur Lektüre serviert bekommen wird, muss und will der Autor sich kurz ein wenig mit ein paar Fakten bezüglich Estland befassen, was zum Verständnis der folgenden Kapitel sicher seinen Beitrag leisten wird, oder anders gesagt, ohne dessen Kenntnis sich manches was folgt sich dem Verständnis des Leser eher zu widersetzen versuchen wird.

Estland liegt, wie bereits erwähnt, an der Ostsee, gegenüber von Finnland, und umrahmt von Russland auf der östlichen und südlichen, und von Lettland auf der westlichen Seite. Mit seiner Ausdehnung von 300 Kilometern von Nord nach Süd und etwa 400 Kilometern von Ost nach West – wenn man die beiden großen Inseln Saaremaa (zu Deutsch Ösel) und Hiiuma nicht in die Kalkulation einberechnet, gehört es sicher zu den kleinen Staaten in Europa – allerdings, und darauf sei an dieser Stelle auch verwiesen, immer noch größer als Dänemark. Inseln ist nebenbei bemerkt ein gutes Stichwort. Estland besitzt über 1000 eben dieser, wenn auch nur vier von Ihnen auf normalen Karten als solche erkennbar sind, was man mit der Größe eben jener einerseits, anderseits – ein Gebot der Logik – der Vielzahl und der geringen Ausdehnung der anderen erklärbar ist. Zu den großen Inseln, genannt seien neben Saaremaa und Hiiuma auch Vormis und Muhu, soll in einem späteren Kapitel näheres berichtet werden. Allein diese Tatsache möchte der Autor den geneigten Lesern gleich zu Beginn nicht vorenthalten, nämlich dass Lettland, der direkte Nachbar gen Westen nicht eine einzige Insel sein eigen nennen kann, eine Tatsache die um so mehr interessanter ist, da mitten im Golf von Riga ein Eiland liegt, welches von Lettland zwar beansprucht, von Estland jedoch nicht aufgegeben wurde.

Wenn auch Estland der Fläche nach also nicht zu den kleinsten der Europäischen Länder gehört – selbst wenn man etwa Andorra aus der Rechnung nimmt – so macht doch die Einwohnerzahl jenen Eindruck zu Nichte. Mit 1,36 Millionen Einwohnern muss man Estland einfach zu den Zwergen der EU rechnen, eine Tatsache, die zwar nicht zu bestreiten ist, jedoch den Esten trotzdem nicht gerecht wird, wie der Autor im Rahmen dieses Buches zu zeigen hofft. Diese 1,36 Millionen Menschen leben zumeist in Städten, die meisten davon, etwa 500 000, allein in Tallinn, der Hauptstadt. Im Gegensatz allerdings zu Lettland, wo mehr als die Hälfte aller Einwohner in und um Riga lebt, kann Estland mit den Städen Tartu (Deutsch Dorpat, 120 000 Einwohner) im Süden des Landes, Pärnu (Deutsch Pernau, 60 000 Einwohner) im Westen und Narva (ca. 70 000 Menschen) im Osten ein gewisses Gleichgewicht aufweisen.

Auch wenn in der heutigen Demographie die Deutsche Volksgruppe keine nennenswerte Erwähnung mehr findet, sind die Deutschen aus der Geschichte dieses Landes nicht weg zu denken. Ohne zu weit in die Geschichte eindringen zu wollen, dies soll in einem gesonderten Kapitel geschehen, will der Verfasser gleich zu Beginn darauf kurz eingehen. Wie auf den bisherigen Seiten bereits geschehen, findet sich hinter den estnischen Bezeichnungen von Orten und Namen oft in Klammern die deutsche Bezeichnung. Dies geschah und geschieht nicht aus überzeichnetem Nationalgefühl des Autors, allein schon daraus zu beweisen, dass eben jener sich im Besitze beider Nationalitäten weiss, sondern aufgrund der historischen Gegebenheit, dass bis ins Jahr 1920 die Deutschbalten die kulturelle und wirtschaftliche Hegemonie dieser Region inne hatten, gleich welche Nation de facto das Baltikum okkupiert hatte, seien es Dänen, Polen, Schweden oder Russen. Erst als im Jahr 1920 die Esten wie die Letten die Chance des Chaos des beendeten ersten Weltkrieges nutzen und zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen eigenen Staat gründeten, erlosch die Vorherrschaft der Deutschen. Die deutschen Bezeichnungen jedoch wurden nicht vergessen, und so trifft der Autor auch gerade junge Esten, die durchaus mit der Bezeichnung Dorpat die Universitätsstadt Tartu verbinden können und auch selbst noch diese Bezeichnung benutzen. Als Abrundung dieser Thematik zumindest für dieses Kapitel sei berichtet, dass, als 1920 das Estnische zur einzigen Staatssprache erhoben wurde in der damals wichtigsten Zeitung Postimees man zum besseren Verständnis neben den relativ neuen und deswegen oft unbekannten Estnischen Worten man in Klammern die frühere Deutsche Bezeichnung abdruckte. Und auch heute noch geniest die Deutsche Sprache einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, immerhin wählt jeder dritte Schüler in Estland nach Englisch Deutsch als zweite Fremdsprache und das Niveau der Germanistik Studenten an der Universität Tartu ist – wie sich der Autor selbst überzeugen konnte – ein unbestreitbar hohes.

Doch nun soll es genug sein mit Fakten und Zahlen, auch wenn man auch in den folgenden Kapiteln nicht zur Gänze auf diese verzichten können wird. Jedoch will der Autor versuchen jene auf ein Minimum der Notwendigkeit zu reduzieren.