Samstag, 29. September 2007

Kapitel I Geschichte der Region I (bis 1710): Eroberung und Verlust Estlands

Es mag an der Tatsache liegen, dass der Autor dieses Buches Geschichte studiert hat. Doch er geht nun einmal davon aus, dass man, um eine Land kennen zu lernen, auch gerade dessen Geschichte kennen lernen muss um zu verstehen was man sieht.

Es sei daher die Historie Estlands, in drei Kapitel unterteilt, in Auszügen berichtet. Dem historisch interessierten Leser wird es zu wenig sein. Dem weniger an vergangenen Ereignissen interessierten zu viel. Beide mögen dem Autor verzeihen.

Die Geschichte der von uns beobachteten Region beginnt natürlich nicht erst in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts, dennoch soll diese Zäsur als Einstieg in dieses Kapitel gewählt werden, der Beginn der Christianisierung der Liven, ausgehend vom Erzbistum Hamburg-Bremen. Doch nicht nur die Deutschen hatten Pläne der Christianisierung. So wurde im Jahr 1167 vom Erzbischof von Lund mit dem Zisterzienser Fulco der erste Estenbischof geweiht. Es sei an dieser Stelle erläutert, dass die von uns behandelte Region Estland sich in früheren Tagen, bis ins Jahr 1920, in die historischen Regionen Estland und Livland teilte, wobei Livland wiederum auf dem Gebiet der heutigen Nationalstaaten Estland und Lettland liegt. Die ersten Missionarsbemühungen unter dem Augustiner Meinhard[i] waren noch friedlich, als er etwa im Jahr 1180 den ersten Steinbau auf dem Gebiet der östlichen Ostsee bauen lies – eine Kirche. Sein Nachfolger Bertold allerdings unternahm bereits den ersten militärischen Angriff auf die Einheimischen, was Bertold im Jahr 1198 mit dem Leben bezahlen musste. Als Nachfolger Bertolds wurde der Bremer Domherr Albert von Buxhoeveden[ii] zum Bischof von Livland gewählt, mit dem der waffentragende, Grundbesitzende und durch Eid an den Bischof als Lehnsherren gebundene Adlige aufkam. Pistohlkors nennt Bischof Albert auch den „Gründer Deutscher Landesherrschaft in Livland“[iii].

Im Jahr 1201 gründete Albert an der Düna die Stadt Riga als Bischofssitz und Handelszentrum, Stützpunkt der Kolonialisierung und Zeichen des Erreichten. Ein Jahr später gründete er den geistlichen Ritterorden „fratres milicie Christi de Livonia“, auch Schwertbrüderorden genannt. Der Hintergrund dafür war einfach. Dis dato mussten sich die Missionare auf den Schutz angeworbener Kreuzfahrer verlassen, die das neubegründete Bistum gegen Liven, Kuren, Litauer und Semgaller schützte, die Russen in Schach hielten, aber nach Abwendung der Bedrohung wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Der Schutz durch solche Pilger konnte einem weitblickenden und politisch kalkulierenden Machtmenschen wie Albert nicht genügen. Um die Kreuzfahrer im Land zu halten bediente sich Albert auch des Mittels der Lehensvergabe. So gab er bereits im Jahr 1202 zwei Landgüter ab und gründete damit das Fundament des Vasallenstandes, der für die weitere Geschichte der Region von entscheidender Bedeutung sein wird. Der Orden, der sich als Erkennungszeichen einen weißen Umhang mit einem roten Zeichen, einem Kreuz über einem nach unten weisenden Schwert gab, wurde die Basis für den Schutz des Bischofs und der Missionierung..

Im Jahr 1227 verloren die Dänen, die bisdato der stärkste Gegenspieler der Ordensritter im Kampf um die Vorherrschaft über die Region waren, weiter an Einfluss. Nachdem die Deutschen einen erneuten Aufstand der Esten auf Ösel und um Reval, dem heutigen Tallinn, abgewendet hatten, konnte der ohnehin militärisch geschwächte dänische König auch die Burg Reval nicht mehr halten.

Der Orden kümmerte sich nun vor allem um den Auf- und Ausbau der neu eroberten Stadt Reval. So rief man 230 Kaufleute aus Gotland in die Stadt, einige von ihnen erhielten sogar Land um sich eine gesicherte wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Doch die Macht des Ordens sollte sich bald wieder auflösen. Die Nachwuchsfrage, die exponierte Stellung, das komplizierte Verhältnis zur Kirche und Kurie und die wechselnde Geschichte des Ordens forderten bald Tribut, und der mächtige Deutsche Orden wurde immer attraktiver für Ordensmeister Volkwin. Als der dänische König beim Papst Klage gegen den Orden wegen der Burg Reval erhob, sandte Volkwin 1236 Gesandte zum Deutschen Orden nach Marburg um über eine Vereinigung zu verhandeln; dabei war es Bedingung für die Schwertbrüder, auch in Zukunft autonom über ihr Gebiet regieren zu dürfen. Mitten in die schwierigen und dem Scheitern nahen Verhandlungen zwischen den beiden Orden kamen die Urteile von Viterbo zu Kunde. Balduin von Alna hatte mit vielen Lügen und Polemik gegen den Schwertbrüderorden und auch den Bischof geklagt und Recht bekommen. Der Orden müsse, so die Richter, Reval und das Umland an die Dänen zurückgeben, andere Gebiete an einen päpstlichen Legaten übergeben werden. Mit anderen Beschlüssen kann man folgern, dass eine volle Umsetzung die deutsche Herrschaft durch Entzug der wirtschaftlichen Grundlagen wohl zerstört hätte. Doch die Rückschläge des Ordens brachen nicht ab. Im September 1236 geriet das Ordensheer gegen die Litauer in einen Hinterhalt. Der Ordensmeister und achtundvierzig Ritter starben, doch noch schlimmer waren die politischen Folgen: Verbündete wie die Semgallen und die Kuren fielen vom Orden ab und die Zahl der Ordensbrüder hatte sich halbiert. In dieser Phase bestimmt der Papst die Vereinigung der beiden Orden, die jedoch immer noch in schwierigen Verhandlungen standen. Die Vereinigung erfolgte schließlich durch das Umhängen des Ordensgewands des Deutschen Ordens und durch Täuschung der Schwertbrüder über die Zukunft Revals. Am 14. Mai 1237 wurde die Vereinigung durch Papst Gregor IX. bestätigt, kurz darauf setzten sich 60 Brüder des Deutschen Ordens nach Estland in Marsch. Alleine die Jurisdiktionsunabhängigkeit des livländischen Ordenszweiges von der Gerichtshoheit der Bischöfe Livlands konnten die ehemaligen Schwertbrüder retten. Reval und andere Gebiete in Estland wurden jedoch im Vertrag von Stensby dem dänischen König zurückgegeben.

Der Orden hatte aber ohnehin andere Probleme. Man musste die verlorene Macht in der Region zurückerobern, was 1241 mit der erneuten Unterwerfung der Insel Ösel begann. Zeitgleich begann der Orden gemeinsam mit schwedischen Truppen gegen Nowgorod vorzugehen, was allerdings 1240 bereits in der Neiderlage gegen Fürst Alexander an der Neva, was jenem den Beinamen Alexander Nevski einbrachte. Dennoch konnte der Orden seine Macht Stück für Stück erneuern. Lediglich in der Expansion gen Osten geriet zum Fiasko, gipfelnd in der Niederlage des Ordens auf dem Eis des Peipussees am 5. April 1242. Damit wurde der Expansionsdrang des deutschen Ordens gen Osten .gestoppt und auch in späteren Zeiten nicht mehr aufgenommen.

Kapitel nicht vollständig! Fehlt: Livländischer Krieg, Großer Nordischer Krieg



Anmerkungen

[i] Meinhard: Geboren: ? Gestorben 1196; Wirkte u.a. im Kloster Segeberg

[ii] Albert von Buxhoeveden, aus Bremen

[iii] Pistohlkors, Gerd von, Baltische Länder, in: Buchholz, Werner (Hrsg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas, Berlin 1994, S. 38

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