Samstag, 29. September 2007

Kapitel I.2 - Das Zentrum der Macht

Das Zentrum der Macht

Der Rathausplatz (estn. Raekoje plats) ist ein Phänomen. Der Autor kennt nur wenig Plätze auf der Welt, die trotz der sofort aufgekommenen Kommerzialisierung es geschafft haben, immer noch die Würde und den Glanz der alten Zeiten zu erhalten. Alleine schon die Größe des Platzes, mit den herrlichen Häuserfronten, die nahezu ehrfürchtig ihre Schönheit und Farbenvielfalt unterspielen angesichts des trotzigen und dennoch nicht abschreckenden alten Rathauses mit seinen kleinen Fenstern, der wuchtigen grauen Außenmauern und den farbenfrohen Wasserspeiern in Form von Drachenköpfen, die auf den ersten Blick so gar nicht zum Rest des Hauses passen wollen. Das Rathaus dominiert den Platz durch seine schiere Größe und Form. Und doch schließen die so verschiedenen Bauwerke jenes Platzes einen engen Kreis und scheinen den Kern der Stadt festzuhalten.

Wenn der Verfasser nach Tallinn kommt, eilt er meist zuerst zu diesem Ort um in dessen Mitte stehend und sich langsam um die eigene Achse drehend den Geist des Ortes aufzunehmen und zu verinnerlichen. Es ist wird dem flüchtigen Touristen vielleicht nicht einsichtig werden, was an diesem Platz so speziell ist; vielleicht muss man sich dem Land einfach bedingungslos ergeben um den Zauber dieses Platzes erahnen zu dürfen. Es ist die Mischung aus alterwürdiger Geschichte gepaart mit dem auch auf diesem Platz vorhandenen Kabellosen Internet Zugang. Es sind die prächtigen Patrizierhäuser, die Symbole einer vergangenen Macht einer von Sturm der Geschichte weggewehten Oberschicht und des nur langsam wiederkehrenden Reichtums der Stadt und des Landes, in denen man nun ebenso Souveniers erstehen kann wie Kaffee trinken.

Diese Überleitung bringt uns direkt zum ersten Punkt der Beschreibung. Steht der Betrachter nun also vor dem Rathaus und blickt entsprechend Beeindruckt vor der Stärke des Gebäudes, in dem die Geschicke der Stadt geleitet wurden, so wende man sich schlussendlich nach links. Auf dieser Seite sind drei Gebäude, die der Verfasser kurz ansprechen möchte. Es sei an dieser Stelle eine demütige Entschuldigung an jedes andere Gebäude des exklusiven Kreises gerichtet, dass nicht jedes behandelt werden soll. Der Autor ist sich sicher, dass jeder Besucher sein eigenes Lieblingshaus für sich erkoren wird. Gleichwohl möchte ich mein Diktat als Autor über den Leser ausnützen um drei von ihnen zu erwähnen.

Zum ersten muss man wohl die alte Apotheke erwähnen, die immerhin eine der ältesten, wenn nicht die älteste Apotheke Europas ist. Sie entstand 14XX, anlässlich einer Pestepedemie und dient den Einwohnern der Hansestadt bis heute mit Medikamenten. Die Tatsache, dass dieses kleine Land etwas hat, was bereits vor der Entdeckung Amerikas durch den spanischen Seefahrer Kolumbus in dieser Funktion tätig war beeindruckt nicht nur die Einwohner aus „Gottes eigenem Land“ sondern ist auch für den Verfasser ein Denkmal an die Beständigkeit und die Traditionen. Zumal die Familie des Autors sich rühmen kann über einige Generationen den ehrbaren Beruf des Pharmazeuten inne zu haben, wenn auch natürlich nicht in der hier erwähnten Apotheke. Direkt neben der Apotheke, nur durch eine schmale, auf den ersten Blick nicht zu sehenden Gasse getrennt, die den Rathausplatz mit der Venestraße verbindet, steht ein kleines schmales Steinhaus, das den Eindruck macht, als gehöre es eigentlich nicht an diesen Ort. Es drängt sich an den Nachbarhaus in einer rührenden Weise und versucht seine schlichte und schmale Erscheinung durch zwei steinerne Plastiken vor der Eingangstür zu kaschieren. Man könnte in diesem Haus auch ein Sinnbild Estlands sehen, dass sich in den Kreis der großen Staaten Europas und der Welt seinen Platz erkämpft hat und diesen behaupten will und auch dazu im Stande ist. Es mag klein sein und grau und neben den bunten und glanzvollen großen Gebäuden fast verschwinden. Und doch ist es da und gehört dazu und wird dort bleiben.

Die für den Autor jedoch interessanteste Bar des Platzes und auch der Altstadt hat er nur durch Zufall entdeckt. Beim Kauf einer Zigarre im „Sigari Maja“ fiel ein Vorhang auf, hinter dem sich ein Kleinod verbarg. Eine kleine Bar mit herrlichen alten Ledersofas, einem offenen Kamin und schönen antiken Lehnstühlen. Ein Ort zum Entspannen, Schachspielen und des puren Genusses an Lebensart wie der Autor diese in Deutschland bisher nicht gefunden hat.

Es sei jedem vergönnt einem solchen Platz, der den in der Phantasie schon oft besuchten Londoner Herrenclubs des viktorianischen Zeitalters gleicht, nicht jene Begeisterung entgegen zu bringen wie der Verfasser. Er wollte es aber nicht unterlassen diesen Ort zu unterstreichen.

Nachdem nun der Kaffee getrunken, der Kuchen verköstigt und die Zigarre geraucht wurde, wird es Zeit sich wieder dem Ausgangspunkt dieses Kapitel zuzuwenden: Dem Rathaus.

Kaptiel nicht vollständig! Fehtl: Rathaus, Rathauskirche (inklusive Vorbau und Uhr))

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